9
Mrz
2006

...

"Reiss Dich zusammen!"

Den Satz kann man doch ab und zu von mir hoeren, das duerfte nicht unbekannt sein. In letzter Zeit musste ich es sogar oefter sagen, so widme ich meine Gedanken heute Abend diesen Worten. Zumindest ein paar Gedanken, wahrscheinlich schweife ich nach ein Paar Saetzen ab. Oder ich schlafe ein, das waere auch moeglich!

Aber, wer weiss!

"Reiss Dich zusammen!"

Den befehlenden Ton hab ich auch drauf, ja, ich denke schon, bin sogar ueberzeugt davon! ;)

Nun, es ist nicht so, dass ich nur zu anderen Menschen sowas sage und rumkommandierend herum laufe (naja, obwohl, lol), das wollen wir jetzt aber nicht vertiefen. Also, ich finde diesen Satz sehr gut und muss ihn bei mir auch fast taeglich anwenden. Wo Disziplin noetig ist, muss man sich auch oft zusammen reissen, sich gar ueberwinden. Sei es Klavier, ueberhaupt Musik, Sport, Beruf, vieles Andere, Aufstehen....ach!

Aufstehen.
In diesem Semester unterrichte ich zum Glueck nur zweimal in der Woche um 7:50.
7:50. 7 klingt schon so deprimierend, dass ich meinen Unterricht um 8 Uhr beginne. Aber 8 ist eigentlich auch nicht viel besser. Das ist zu frueh und ich bin ein Nachtmensch. Und gerade an den Tagen an denen ich so frueh - und das IST "so frueh" da braucht sich niemand zu beschweren und irgendwas gegen diesen Ausdruck zu haben - unterrichten muss, wache ich nicht um 5 Uhr auf. Nein, das sind die Naechte, die eher laenger sind, die ich lieber wach verbringe, mich fit fuehle, nicht einschlafen kann oder moechte und sowas.
Der Wecker klingelt dann um 6:40. Gnadenlos wird er verstellt auf 6:50. Dann auf 7:00. Dann auf 7:10.
Nicht immer, aber immer wieder! ;)

Und in diesen zehnminuetigen "Ich-muss-aufstehen-will-aber-noch-schlafen-Phasen" erfinde ich alle moeglichen Ausreden, warum ich doch nicht aufstehen muss. Das ist jedesmal sehr spannend, manchmal witzig, manchmal auch nicht, aber einfallsreich sind sie doch, ja!
"Ich habe jetzt 10 Minuten, dann klingelt der Wecker, ich koennte ganz schnell traeumen, dass ich aufgestanden bin, schon unterrichtet habe, sie werden es gar nicht merken, wenn ich nicht komme, sie ueben dann, sicher, sie muessen ueben, je laenger sie ueben, desto besser. Mein Handy koennte ich auch ausschalten, ich traeume gleich wie das geht...chinesische Handys sind anders, aber ich weiss doch, wie das geht....."
Der Wecker klingelt.
"Mist. Aber ich hab ja noch Zeit. Und ich mag heute wirklich nicht, ach neee. Wieso immer so frueh? Wieso so frueh? Wie kann man so frueh unterrichten? Was ist das fuer ein Stundenplan? Ich koennte sie auf morgen verschieben.....ja....morgen. Morgen, aber dann wieder um 7:50?"
Zum Glueck klingelt der Wecker wieder, denn dieser Gedanke war furchtbar!
"Okay. In diesen 10 Minuten werde ich wach werden. Ich liege einfach entspannt und werde wach, das wird klappen. Und wenn ich Glueck habe, hoere ich den Wecker nicht. Ja, das ist eine gute Idee. Ich habe noch 4 Minuten, ich schlafe jetzt ein, entweder verschlafe ich alles oder ich wache ganz fit in 4 Minuten auf!"

Und so weiter. Und so schlimmer! Ich bin ja mindestens noch ein paar Monate in China, bestimmt werde ich noch darueber berichten, was fuer tolle Gedanken ich in solchen Aufstehen-Muessen-Phasen habe, oder vielleicht verschlafe ich alles, mal sehen! ;)

Nun, irgendwann einmal kommt der Zeitpunkt, wo ich mir sage:

"Reiss Dich zusammen und stehe auf, Du musst unterrichten!"

Ihr werdet es nicht glauben, aber ich muss dann wirklich lachen. Ich reisse mich zusammen und stehe lachend auf.
Mag sein, dass manche Menschen keine Probleme mit Aufstehen haben, aber ich schon, wenn ich lieber schlafen wuerde. Und dann ist sogar die "Halbschlaf-Phase" uebersprungen, ich bin dann halt wach. Zwar muede, aber wach.

Und so war es auch heute.

8:10, ich bin zu spaet, aber in China ist es nicht so schlimm, ich werde halt laenger unterrichten. "Spiel Dich ruhig weiter ein.", sage ich zu Jun Ling, waehrend ich mir einen Tee mache und meine Sachen auspacke.
Normalerweise gehe ich immer raus und lasse sie, also meine Studentinnen, sich einspielen, aber Jun Ling ist diejenige, die sich bis zu dem Moment einspielt bis ich mich hinsetze, sie anschaue, nicke und "Bitte" sage. Also dieses "Bitte, fang an - Nicken." Na dann.
Nur, ich hoere sie ja wie sie sich einspielt. Sie spielt F-Dur-Tonleiter, bei der Gegenrichtung, abwaerts, in der rechten Hand will sie ein Es statt ein E spielen. Sie nickt unzufrieden mit dem Kopf, sagt ein:
"Tzz."
Und dann macht sie das gleiche nochmal.
Insgesamt 5 mal. Immer an gleicher Stelle, immer unterbrochen, weil nicht weiter wissend und immer noch einmal versucht.

Ich sage nichts, ich lasse sie sich ja einspielen.
Ich setze mich hin, sie laechelt mich an, ich laechle sie an.
Ich gebe aber kein "Bitte-fang-an-Zeichen".
Sie lacht, Claudia lacht, ich lache auch.
"Claudia, frag sie bitte mal, ob sie weiss, wo sie den Fehler gemacht hat?"
"Fehler? Ich verstehe nicht genau."
"Sie hat ja jetzt F-Dur gespielt, sie hat 5- mal den gleichen Fehler gemacht, konnte nicht weiter spielen und hat es wieder versucht, frag sie bitte, ob sie weiss, wo sie den Fehler gemacht hat. Und ob sie weiss, woran es lag?"
Claudia lacht und uebersetzt es.
Jun Lin guckt voellig suess-entsetzt, das kann sie hervorragend, sie lacht, und moechte es noch einmal spielen, in der Hoffnung, dass der gleiche Fehler passiert und sie dann "die richtige Antwort" geben kann.
Ich schreite ein:
"Nana....denk bitte nach. Du hast fuenfmal an gleicher Stelle einen Fehler gemacht. Du musst doch wissen wo das war?"
Claudia und Jun Ling lachen, wundern sich ueber meine Frage. Claudia weiss aber schon worauf ich hinaus will, also erklaert sie es weiter, ohne dass ich was weiter sage.
Jun Ling sagt nichts und lacht.
"Du musst doch wissen wo der Fehler lag."
"Ich weiss es nicht. Fingersatz?"
"Neee, Du warst schon mit dem richtigen Finger dran. Aber okay."
Bei den laengeren Saetzen spreche ich immer Claudia an und schaue, dass sie mich versteht, beim Unterricht rede ich normalerweise die Studentinnen direkt an, oder ich zeige, singe, spiele vor, Claudia uebersetzt dann schnell dazwischen, wenn noetig (und es klappt wunderbar!) aber wenn ich so auf meinem Stuhl sitze, dann sage ich es oft zuerst an Claudia.
"Sie weiss also nicht, was sie falsch macht, wie glaubt sie dass es beser werden koennte?"
Die beiden reden.
"Oft wiederholen, dann ist vielleicht der Fehler nicht mehr da."
Ich musste wirklich lachen!
Die beiden auch.
"Aber welcher Fehler? Es geht doch nicht, dass man uebt und nicht einmal weiss, welchen Fehler man begeht, wie soll man ihn korrigieren?", frage ich auf eine sinnvolle Antwort hoffend.
"Immer wiederholen."
"Fehler wiederholen? Fehler ueben?"
"Nein."
"Was habe ich denn immer und immer wieder beim Unterricht im letzten Semester wiederholt?"
Da antwortet sogar Jun Ling, laechelnd und schuechtern:
"Mitdenken."

Ich lache und denke mir:

Oh ja, ich werde viel Spass und sehr viel Arbeit in diesem Semester haben!



Gute Nacht!



ps: Und das waren die ersten 10 Minuten des heutigen Unterrichts, ich habe heute 8 Stunden unterrichtet. Da koennte ich noch stundenlang erzaehlen. lol


An den Unterrichtsberichten wirds aber sicher nicht fehlen. ;)
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